Überraschenderweise schleift mich Fey mal nicht durch einen Wald, oder irgendwelches Gestrüpp zu einer abgelegenen Behausung irgendeiner irren Person. Die Irre die wir besuchen wohnt mitten in der Stadt. In einer dunklen Kellerwohnung. Beim ersten Anblick der bleichen Gestalt, die die Tür öffnet, fällt mir unweigerlich auf, dass sie unbedingt ins Dachgeschoss umziehen sollte. Am besten eins ohne Dach. Ihre Haut ist so bleich, dass man sie im Sonnenlicht kaum sehen würde. Sie bittet uns herein und ich stolpere durch die Finsternis und laufe gegen eine Wand.
»Können wir vielleicht mal das Licht anmachen?«; frage ich und reibe mir die schmerzende Stirn.
Eine Flamme flackert auf und Schneeweißchen zündet mit einem Streichholz eine Kerze an, die zumindest genug Licht spendet, dass ich einen Stuhl am Küchentisch finde, auf den ich mich setzen kann. Die weißeste Frau in der Stadt beginnt zu erzählen. Es geht um rituelle Opfer, die vor Jahren von jemandem entführt wurden, um ins Labyrinth auf der Insel geschickt zu werden.
»Was denn für ein Labyrinth?«, frage ich und stelle mal wieder fest, dass ich eindeutig zu wenig rumgekommen bin in der Stadt und der näheren Umgebung.
»Die Insel ist von einem Höhlenlabyrinth durchzogen. Das weiß doch jeder.« Die Bleiche schaut mich an, als hätte sie nie einen dümmeren Menschen gesehen. »Niemand weiß, wer für die Entführungen verantwortlich war. Aber wir wissen natürlich, wer im Labyrinth auf der Insel lebt.«
»Wissen wir das?«, frage ich.
Sie hat eindeutig nie einen dümmeren Menschen gesehen. Sie ignoriert mich und wendet sich an Fey, die sie offenbar und völlig berechtigt, für weniger bescheuert hält. »Ihr solltet ihm einen Besuch abstatten. Er wird euch helfen können.«Fey steht auf und bedankt sich bei der Frau, die so weiß ist, wie frisch gestrichene Tapete.
Ich taste mich zur Tür voran, um möglichst schnell aus der Dunkelkammer rauszukommen. Fey hält mich am Arm fest und sieht mir in die Augen.
»Oh nein. Du blutest«, sagt sie.
Ich fasse mir an die schmerzende Stirn und ertaste Flüssigkeit. »Ist nicht so schlimm«, sage ich und wische das Blut an meiner Hose ab.
Fey starrt mich erschrocken an und dreht sich zu der hellen Haut um. Die guckt, als hätte ihr gerade jemand ihre Sonnencreme geklaut. Scheinbar glaubt sie, dass ich sie in der Tasche habe. Sie zeigt mir ihre spitzen Zähne und faucht wie eine Katze, die man in die Badewanne werfen will. Sie stürzt auf mich zu. Für gewöhnlich hätte ich nichts dagegen, von Frauen angesprungen zu werden, aber Beißen ist nur bis zu einem gewissen Grad erregend. Sie hängt an meinen Schultern und versucht, ihre angespitzte Kauleiste in meinen Hals zu hauen. Ich verpasse ihr den schwächsten Kinnhaken der Menschheitsgeschichte. Ich bin kein Frauenschläger, weshalb ich mich trotz der Gefahr stark zurückhalte. Allerdings ist mein Kinnhaken generell eher schwach, also hätte er wohl auch mit voller Kraft nicht mehr Eindruck gemacht. Sie scheint nur noch wütender zu werden. Ihre lange Schlangenzunge wackelt vor meinem Gesicht herum. Ich greife die Zunge mit der rechten Hand, während ich mit dem linken Arm ihren Kopf zurückdrücke. Mehr fällt mir nicht ein. Ich habe keine Hand mehr frei. Ich höre ein Klirren und Tonscherben rieseln mir ins Gesicht. Gefolgt von den Augäpfeln der Scharfzähnigen. Sie scheint verwirrt und lässt von mir ab um auf dem Boden nach ihren Augen zu suchen. Ich packe Fey am Arm, die den Rest der Vase fallen lässt und ziehe sie in der Dunkelheit dahin, wo ich den Ausgang vermute. Ich bin an der völlig falschen Stelle der Wohnung. Die Tür liegt auf der anderen Seite und fliegt auf, als eine Horde Zirkusclowns in die Wohnung stürmt und die blinde Tussi mit bunten Bändern fesselt und knebelt. Ihr Winden und Schluchzen nützt nichts. Der Zirkusdirektor und sein Handlanger kommen rein und stellen sich vor uns auf.
»Da waren wir ja gerade noch rechtzeitig.« Die Ruhe, die der Direktor an den Tag legt, wirkt von Grund auf beunruhigend. »Kommt mit«, sagt er und deutet zur Tür. »Ich will euch etwas zeigen.«
Ich bin dagegen, zurück zu den Zirkusfreaks zu gehen, aber wenn uns der Direktor in seinem Zelt will, werden wir wohl unweigerlich dort landen.
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