Schreiben wie ein Selbsternannter Schriftsteller – Foreshadowing

Heute wird es höchstinteressant hier … okay, ich will nicht lügen, vielleicht wird es auch todlangweilig. Ich weiß es selbst noch nicht. Ich schludere den ganzen Kram hier schließlich ziemlich spontan hin. Ich weiß also überhaupt nicht, wo das alles hinführt. Und beim heutigen Thema schon gar nicht. Denn es geht um das gute, alte Foreshadowing – ich verzichte bewusst auf die deutsche Ausdrucksweise „epische Vorausdeutung“, weil mir das zu dämlich klingt und so episch ist das alles hier nun auch wieder nicht.

Es geht um bewusst platzierte Elemente, die im späteren Verlauf einer Geschichte wieder aufgegriffen werden. Das berühmteste Beispiel ist wohl die Waffe, die im ersten Kapitel in der Schublade des Detektivs liegt und mit der er im letzten Kapitel den Antagonisten erschießt. Oder die scharfe Blondine mit den dicken Tüten, die ihm den Auftrag erteilt hat, sich dann aber als eigentliche Drahtzieherin herausstellte. Oder sich selbst, weil er zu doof war, den Fall aufzuklären. Was auch immer der Ausgang sein mag, die Pistole wurde bewusst im ersten Kapitel erwähnt.

In meinem Beispiel von Lord Edgar und Hausmeistersohn Peter sieht das Foreshadowing bisher etwas anders aus. Irgendwo in all dem Gewurschtel hier habe ich beispielsweise mal die Schlafzimmer in der Burg erwähnt und genau in diesen Schlafzimmern befindet sich Peter jetzt, nachdem er so gerade vor den lebendigen Ranken an der Burgmauer fliehen konnte.
Bei mir ergeben sich solche Foreshadowings eher durch Zufall. Wie in diesem Fall mit den Schlafzimmern, die mal erwähnt wurden. Wenn die dann nochmal eine Rolle spielen, überlege ich mir erst dann, was man da vorher in der Geschichte vielleicht noch machen kann. Es kommt also eher selten vor, dass ich bewusst etwas in den ersten Kapiteln erwähne, um es später noch mal aufzugreifen. Es ist eher andersrum der Fall.
Wenn wir jetzt beispielsweise in der Geschichte weiter zurückspringen würden in eins der ersten Kapitel, könnte man ja bereits eine Szene in eben diesem Schlafzimmer spielen lassen, um hier zum Beispiel einen Gegenstand zu platzieren, der Peter im Kampf gegen Lord Edgar helfen könnte. Leider geben mittelalterliche Schlafzimmer nicht viel her. Da gab es nur das Nötigste. Ein Bett zum miteinander pennen. Einen Ofen, damit man sich nicht den Arsch abfriert beim Miteinanderpennen. Ein Stuhl in der Ecke neben dem Ofen, damit ein Schaulustiger den beiden im Bett Miteinanderpennenden bei Interesse zugucken kann. Ein Wandteppich … Moment mal. Damit lässt sich doch was machen. Nehmen wir den Wandteppich.

Ich springe also erstmal zurück und bringe den Wandteppich in einer früheren Szene ins Spiel:

Hausmeistersohn Peter stand verlegen im Schlafzimmer der Prinzessin und schaute auf den Boden. Vor ihm stritten sich die Königin und sein Vater der Hausmeister.
„Habt ihr eine Ahnung, was dieser Wandteppich für einen Wert hat?“
„Die Burg ist voll mit Wandteppichen“, versuchte der Hausmeister die Königin zu beruhigen.
„Aber dieser Wandteppich ist etwas besonderes“, erklärte die Königin. „Er ist schon seit Jahren in Familienbesitz. Er war immer für uns da, in guten und in sehr guten Zeiten.“ Schlechte Zeiten hatte die Familie nie erlebt. Schließlich waren sie Könige. Schlechte Zeiten waren für den Pöbel. „Er ist unersetzbar.“
„Nun, es ist nur ein kleiner Brandfleck“, stellte der Hausmeister mit prüfendem Blick fest. „Vielleicht kann man ihn mit irgendetwas verdecken.“ Er schob eine Kommode vor den Teppich. Er schaute sich das Ergebnis an. Die Kommode war zu klein. Der Brandfleck war weiterhin hervorragend zu sehen. Der Hausmeister schaute sich im Raum um. Er fand, wonach er suchte. Er nahm die kleine Blumenvase vom Nachtschrank neben dem Bett und stellte sie vor den Brandfleck auf die Kommode. „Perfekt“, sagte er jubelnd und grinste die Königin doof an.
Die Königin brummte etwas unverständliches, dann fügte sie hinzu: „Ich verlange, dass der Verantwortliche dafür bestraft wird.“ Sie zeigte auf Peter.
„O, natürlich. Macht euch keine Sorgen eure Hoheit. Ich werde ihn selbstverständlich zur Rechenschaft ziehen“, versprach der Hausmeister.
Die Königin schien zumindest etwas zufrieden und verließ den Raum.
Peter wagte es, aufzuschauen. Sein Vater guckte ihn kopfschüttelnd an. „Ich bin wirklich enttäuscht, Peter“, sagte er.
„Die Kerze ist umgefallen und ich …“
„Du hättest das ganze hässliche Ding abfackeln sollen.“ Vater lachte. „Ich würde mir den Fetzen nicht ins Zimmer hängen, wenn mich jemand dafür bezahlen würde.“ Er streichelte Peter den Kopf. „Komm, wir müssen noch ein paar Dinge erledigen.“

Damit haben wir den Wandteppich eingeführt und können den jetzt in der folgenden Szene benutzen und dann wird der Leser denken „Aha! Das ist ja dieser Wandteppich von vor 4235 Seiten“ oder „Ich fand das mit dem Wandteppich schon vor 4235 Seiten langweilig“, jedenfalls wird sich der Leser daran erinnern. Und wenn nicht, ist es auch egal. Hauptsache Wandteppich. Yay Wandteppich! GO WANDTEPPICH!!!

Peter schaute sich um im Schlafzimmer. Er erkannte den Wandteppich den er vor einiger Zeit angekokelt hatte. Die Blumenvase verdeckte immer noch den Brandfleck. Nur die Blumen waren ausgetauscht worden. Die Tür flog auf und Lord Edgar betrat den Raum.
„Ein weiteres Mal entkommst du mir nicht“, sagte er finster. „Du Wicht“, fügte er hinzu, um seinen Standpunkt klar zu machen.
Lord Edgar besann sich auf seine primäre Vorgehensweise und schlug mit seinem Stab zu. Peter duckte sich und krabbelte unter dem Bett her auf die andere Seite des Raums. Lord Edgar wollte zum Essen zuhause sein und die Sache endlich beenden. Er hob den Stab und rief: „Smetter!“ Ein Blitz schoss aus dem Stab auf Peter zu. Er konnte in letzter Sekunde ausweichen. Der Blitz traf die Kommode vor dem Wandteppich und zerschmetterte sie und die Vase darauf in tausend Teile. Die Wucht der Explosion ließ Peter zu Boden gehen. Er lehnte an der Wand neben dem Wandteppich. Lord Edgar ging langsam erhobenen Stabes auf ihn zu. Er stellte sich vor ihn und drückte die Spitze seines Stabs unter das Kinn des Jungen. Peter wusste, dass es vorbei war. Es gab keinen Ausweg mehr. Nur er und der Wandteppich waren hier, um sich gegen den bösen Magier zu stellen. Er griff den Wandteppich. Er hing nur noch locker an der Wand. Peter ergriff seine letzte Chance, den Wandteppich, und zog fest daran. Der Teppich löste sich von der Wand und fiel über Lord Edgar. Der böse Zauberer wandte sich unter dem Familienerbstück und taumelte blind durchs Zimmer. Das offene Fenster wurde ihm zum Verhängnis, als er heraus taumelte und mit Stab und Teppich in die Tiefe fiel.

Lord Edgar ist also besiegt, dank der großen Hilfe eines strategisch platzierten Wandteppichs. Natürlich ist er nicht tot, sondern hängt in seinen eigens zum Leben erweckten Ranken, die zuvor ge-foreshadow-t wurden. Toll was. Damit ist die Geschichte quasi erzählt und es fehlt nur noch das Ende. Das gibts dann beim nächsten Mal.

Wie betreibt ihr Foreshadowing? Habt ihr auch eine Waffe in der Schreibtischschublade, die ihr im letzten Kapitel eures Lebens überraschend ziehen könntet? Und wie viele Wandteppiche habt ihr eigentlich?

5 Gedanken zu “Schreiben wie ein Selbsternannter Schriftsteller – Foreshadowing

  1. Ich bin ein großer Fan von Forshadowing, betreibe das aber genauso wie du: Erst an einer kritischen Stelle denke ich mir: Das Messer hätte man schon mal eher erwähnen können… *zurückblätter – gute Stelle such – einfüg* … und weiter gehts! 😀

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    1. Ich glaube, das ist auch die einfachste Herangehensweise. Wenn ich im ersten Kapitel irgendwo eine Heckenschere platzieren würde, würde mich das immer ablenken, weil ich städnig denken würde „du musst noch die Heckenschere einbauen“. Und dann würde ich vermutlich feststellen, dass der Mörder gar nicht der Gärtner ist und alles wäre hinüber.

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Laber mich voll, ich mag das.

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