Schreiben wie ein Selbsternannter Schriftsteller – Einführung von Nebencharakteren -Teil 1

Die Schlangofantenarmee ist auf dem Weg nach Burg Lebingen. Dort leben natürlich einige Menschen, die nicht die Hauptrolle in der Geschichte spielen. Und auch auf dem Weg dahin liegt ein Dorf, das von den Schlangofanten überfallen werden könnte. Also eine große Auswahl an Nebencharakteren. Nebencharaktere sind mindestens genau so wichtig wie die Hauptcharaktere. Nicht nur, weil sie die Welt lebendiger machen, sondern auch, weil sie Vielfalt in die eigentliche Geschichte bringen. Jetzt muss man dazu sagen, dass ich vorzugsweise aus der auktorialen Perspektive schreibe. Das heißt, dass der Erzähler alles weiß und eben die Geschichte aus seiner eigenen Sicht erzählt. Das bietet den Vorteil, dass man eben nicht an einen Charakter und deren Aufenthaltsort gebunden ist, sondern mehr oder weniger wild durch die Gegend springen kann. Wenn man aus der Ich-Perspektive oder der personalen Perspektive schreibt, gestaltet sich das Einführen von Nebencharakteren schwieriger, da man eben immer an eine Person gebunden ist. Das macht natürlich dann Sinn, wenn man zum Beispiel in einem Krimi ohnehin nur dem Protagonisten folgt und die Nebencharaktere nur mit diesem agieren. Aber wenn man eben lieber mit vielen Charakteren jongliert, dann ist die auktoriale Perspektive meiner Meinung nach ein guter Weg. Soviel also dazu. Jetzt sind wir also wieder ganz woanders und gucken mal, was bei einem der Nebencharaktere passiert, den wir damit auch direkt in die Geschichte einführen.

Wachmann Thorben stand auf dem hohen Wachturm am Rand des Dorfes und schielte auf das Naseneisen an seinem Helm. Das Naseneisen zog immer wieder seine Aufmerksamkeit auf sich und lenkte davon ab, den Wald zu beobachten. Er nahm den Helm ab und schüttelte seine Pupillen wieder in die richtige Position. Er hatte nie verstanden, warum ein Helm ein Naseneisen brauchte, wenn die Wahrscheinlichkeit, dass einem beim Kampf ausgerechnet die Nase abgeschnitten wurde, doch sehr gering war. Er hatte noch nie gehört, dass ein Naseneisen einem Mann mal davor bewahrt hatte, seine Nase zu verlieren. Andere Körperteile schienen viel größeren Schutz zu benötigen. Nach einer Schlacht gab es immer unzählige Männer, die auf dem Schlachtfeld ihre Arme oder Beine oder Eingeweide suchten. Aber seine Aufgabe war nicht, die Weiterentwicklung von militärischer Schutzkleidung voranzutreiben. Seine Aufgabe war es, den ganzen Tag auf den Wald zu starren, aus dem nie etwas auftauchte, dass für das Dorf eine Bedrohung darstellte. Hin und wieder zeigte sich mal ein Reh oder ein Hase hoppelte aus einem Gebüsch. Aber zu keinem Zeitpunkt war jemals eine Bedrohung aus dem Wald gekommen. Ja, im hinteren Teil des Waldes, wo die Bäume tot waren und das Leben sich lange aus allen Pflanzen verzogen hatte, trieben bedrohliche Geschöpfe ihr Unwesen. Aber nahe des Dorfes, wo der Wald lebte und gedieh war das Gefährlichste, was man erblicken konnte, ein Fuchs, der die Gänse der Bauern stehlen wollte.

Es soll ja Autoren geben, die ihre Nebencharaktere eher stiefmütterlich behandeln im Vergleich zu den Hauptcharakteren. Ich mache das nicht. Für mich ist jeder Charakter gleich wichtig. Mal abgesehen von Ausnahmen natürlich wie dem üblichen Kanonenfutter, das ohnehin nach drei Sätzen stirbt, oder Leuten, die nur einen ganz kurzen Auftritt in der Geschichte haben. Aber auch da mache ich mir beim Schreiben zumindest ein paar Gedanken, was diese Personen darstellen und wie sie ticken. So hat der Leser – und vor allem auch ich selbst – zumindest direkt ein minimales Bild im Kopf. Nebenbei passiert das bei mir nicht vorausplanend. Ich entwickle das Meiste direkt während dem Schreibprozess.

Jetzt haben wir also gesehen, wie Wachmann Thorben die Welt um sich herum betrachtet. Jetzt schauen wir mal, was sonst noch so in seinem Kopf vorgeht.

Thorben gähnte und stützte sich mit verschränkten Armen auf sein Schwert. Er überlegte, ob er ein kleines Nickerchen machen sollte. Es kam ohnehin nie jemand kontrollieren, ob er seinen Job mit der nötigen Aufmerksamkeit ausübte. Er schaute sich die lange Narbe an, die sich quer über seinen Unterarm erstreckte. Eine alte Kriegsverletzung. Einer der vielen Gründe, warum er sich von der Armee losgesagt und in das kleine Dorf zurückgezogen hatte. Er hatte so einige Schlachten geschlagen und Verletzungen gehörten dazu, wenn man mit seinem Schwert inmitten von gegnerischen Horden stand und überall scharfe Klingen und spitze Pfeile durch die Gegend flogen. Nach der letzten Schlacht hatte Thorben entschieden, dass er genug gekämpft hatte und die grausamen Anblicke und Schreie auf den Schlachtfeldern reichten, um ihn für den Rest seines Lebens mit Albträumen zu versorgen. Ein Nickerchen war vielleicht doch keine so gute Idee.

Wir haben also ein bisschen was über die Weltsicht, das Aussehen und die Vergangenheit des Charakters erfahren. Das reicht dann auch vorerst. Und weil doof rumstehen und in die Gegend starren nicht das Spannendste ist, bauen wir noch schnell eine kleine Handlung ein, um die Szene zu beenden.

Thorben schaute auf. Etwas bewegte sich zwischen den Büschen am Waldesrand. Das Etwas trat aus dem Wald. Thorben schaute genauer hin. Das Schwert fiel um, als er die Arme über dem Kopf zusammenschlug. Eine Armee von Schlangofanten näherte sich dem Dorf. Thorben hob sein Schwert auf und kletterte so schnell es ging die Leiter am Wachturm herunter. Er lief los und übersah einen Stein am Boden. Er stolperte und fiel. Sein Helm kullerte über den Boden. Er stand auf und ließ den Helm liegen. „Die Schlangofanten kommen!“, rief er und lief zu seinem Pferd. „Rette sich wer kann!“ Er stieg auf das Pferd und ritt davon. Aus der Ferne hörte er die Schreie der Dorfbewohner, als die Schlangofanten in das Dorf einfielen. Er schaute sich nicht um.

Thorben hat also Angst vor Schlangofanten. Das kann man später wieder aufgreifen und ermöglicht zudem einen kompletten Nebenhandlungsstrang, bei dem Thorben sich am Ende seiner Angst stellen muss, wenn er zum Beispiel gegen Krump kämpft, oder in eine Schlacht gegen die Schlangofanten zieht. Ich halte mir da gerne ein paar Möglichkeiten offen.

Thorben reitet jetzt Richtung Burg und wer da so wohnt gucken wir uns beim nächsten Mal an.

Wie behandelt ihr eure Nebencharaktere? Stellt ihr die auch gerne gelangweilt auf Wachtürme? Und wie schnell könnt ihr aus einem Dorf flüchten, wenn eine Bedrohung naht?

9 Gedanken zu “Schreiben wie ein Selbsternannter Schriftsteller – Einführung von Nebencharakteren -Teil 1

  1. Ich mag das Auktoriale ja auch total, weil es einem wie ich finde die schönste Möglichkeit gibt, mit dem Leser zu spielen… Zumindest fällt es mir schwerer bei einem Personalien Erzähler derart vorzugehen^^
    Auktorial steht einem alles offen… Man kann diverse unwichtige nebencharaktere einbinden und ein paar Sätze zu ihrem Leben schreiben, ohne, dass sie je wieder bedeutend wären, man kann landesgeschichte einschieben, familiengeschichte oder in einem Nebensatz jemand wichtiges sterben lassen oder aber sogar selbst die Geschichte spoilern…
    Man kann einfach ein richtig fieser Erzähler sein, der seinem Leser aktiv Spannung aufbaut. Gern stelle ich es mir so vor, dass ich in einem alten ohrensessel sitze und eine pfeife paffend (dabei rauch ich doch gar nicht 🙈) an meine ichte denke und dann shief grinsend anfange, meiner Zuhörerschaft in aller Ruhe davon zu erzählen. Sie hängen gebannt an meinen Lippen, wollen wissen, was denn nun passiert, wie es ausgeht, und ich bin Die Person, die all diese Informationen hat… Doch ich entscheide selbst, wann ich sie heraus rücke^^
    Es ist wohl seltsam, aber genau das liebe ich am shreiben😅
    Demnach denke ich mir auch gerne skurrile oder markante nebencharaktere aus bzw widme ihnen aber wenigstens ein paar fe Augenblicke derart intensiv, als wären sie der drehpunkt der Geschichte!

    Demnach gefällt mir dein Wachmann sehr😉
    Kleiner Hinweis nur: ich würde die Sätze tauschen, wo er sich entschließt, doch nicht zu schlafen und dann aufschaut, oder aber du setzt einfach noch einen kleinen Satz vor seinen Entschluß. Denn eben liest man noch aus seinem Leben und im nächsten Moment hat er diesen Sinneswandel, ohne, dass man es nachvollziehen kann 🙃

    Liebe Grüße ✌️

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    1. Ja, ich mag diese Perspektive auch genau aus den Gründen. Man muss natürlich ein bisschen aufpassen, dass man sich nicht verrennt und anfängt, rumzuschwafeln. Informationen sollten ja möglichst was zur Handlung oder eben den Figuren beitragen (oder zur Not auch noch die Welt beschreiben, in der man sich befindet, wenn es nicht gerade eine ohnehin bekannte Stadt ist). Dein Vergleich mit dem Ohrensessel passt da ganz gut. Oder wenn man am Lagerfeuer sitzt und Geschichten erzählt und versucht, das Finale hinauszuzögern. Da kann man richtig schön ablenken, indem man erstmal eine Abzweigung nimmt, die mit der eigentlichen Geschichte auf den ersten Blick nichts zu tun hat. Das lässt sich bei anderen Erzählweisen nur schwer bis gar nicht bewerkstelligen. Ich finde in dem Zusammehang auch interessant, dass ich oft lese, dass für Anfänger die Ich-Perspektive am einfachsten sein soll. Sehe ich komplett anders. Die schränkt in meinen Augen viel zu sehr ein und ich schreibe sie gar nicht gerne. Außer wenn es sich anbietet, wie in meiner Dewon Harper Reihe.

      Danke für den Hinweis. Das hier sind natürlich alles nur erste Entwürfe, die ich einfach mal spontan hinschludere. Dabei versuche ich mich dann auch möglichst kurz zu halten, um den Rahmen beim Blogpost nicht zu sprengen. In einem Roman würde der Wachmann natürlich ein ganzes Kapitel zur Einführung kriegen, das sich dann über mehrere Seiten erstreckt. Vermutlich komme ich im Rahmen der Reihe auch irgendwann mal auf die Überarbeitung zu sprechen. Das wird dann richtig spaßig, das ganze Kauderwelsch auseinanderzufrirmeln und zu einer richtigen Geschichte zu machen.

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      1. Ja, ich finde auch man kann die ich Perspektive schwer zum anfangen empfehlen, aber auch einfach weil ich solche Empfehlungen immer doof finde^^ Jede Perspektive hat ihre Tücken… Und wie gesagt ich finde es beim Ich Erzähler schwer, dass es nicht öde wird… Da hat jeder andere Vorzüge und vor Allem, das ist das Entscheidende, muss die Geschichte wählen, welcher Erzähler der Richtige ist! Es kommt eben immer darauf an, was diese bezwecken will^^

        Ach so, ich dachte das wäre vielleicht schon eine etwas finalere Version^^

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      2. Ich denke, bei Thrillern und ähnlichem ist die Ich-Perspektive gar nicht so verkehrt. Wenn es darum geht, den Mörder zu finden, bietet sich diese Einschränkung einfach an, weil man so mit dem Ermittler auf einem Stand bleibt. Der auktoriale Erzähler wüsste ja eigentlich die Auflösung des Falls schon im Voraus und dann müsste man beim Schreiben immer aufpassen, dass man nichts verrät.

        Eigentlich ist nichts hier im Blog eine wirklich finale Version von irgendwas. Ich schreibe einfach sehr gerne spontan irgendwelchen Quatsch und gucke dann, wo mich das Ganze hinführt. Selbst die Kurzgeschichten, die ich hier hin und wieder poste, sind meist nur erste Entwürfe, die mir durch irgendwelche Inspirationen spontan in den Kopf gekommen sind.

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      3. Wie gesagt, es kommt eben immer darauf an, was man rüber bringen möchte… Und in meinem Kopf rattert es gerade zu einem Krimi mit auktorialer Perspektive^^

        Ja, so geht es mir an sich auch… Vieles ist bei mir auch noch überholungsbedürftig^^
        Doch gerade wenn es um mein Manuskript geht, dann möchte ich doch gerne einen guten Eindruck machen^^

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      4. Ich würde einen Krimi vermutlich auch auktorial erzählen. Ich meine halt nur, dass ich da die Ich-Perspektive noch am ehesten befürworte bzw. sie mich am wenigsten stört. Sag Bescheid, wenn dein Krimi fertig ist. Würde ich dann gerne lesen.

        Bei meinen „richtigen“ Arbeiten lege ich natürlich auch viel mehr Wert darauf, auf alles zu achten. Hier im Blog geht es mir hauptsächlich um den Spaß an der Sache selbst. Und gerade diese Reihe ist ja ohnehin nur ein Einblick in meine Vorgehensweise beim Schreiben. Da wäre es ja schon fast Verzerrung, wenn ich alles erst noch fünfmal überarbeite.

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      5. Haha, das kann dauern^^
        Wobei doch ganz amüsant ist, dass ich vor ein paar Tagen festgestellt habe, dass mein Buch wohl ein ziemlich spannendes Buch wird das sogar Aspekte eines Thrillers aufweist, etwas, womit ich nie gerechnet hätte^^
        Und es kommen sogar Polizeiermittlungen darin vor… Wenn das mal nicht ein Wink mit dem Zeunpfahl ist^^

        Ja klar, hier muss man sich kein derartiges Bein ausreißen 😉

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Laber mich voll, ich mag das.

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