Mittlerweile haben wir einen ganzen Haufen von Charakteren in der Geschichte kennengelernt. Manche sind wichtiger als andere. Aber was sie alle gemeinsam haben: Sie brauchen ein Ziel. Eine Aufgabe, die sie antreibt, damit sie nicht still stehen und die Geschichte stets voran getrieben wird.
Schauen wir uns als erstes unseren Protagonisten Peter an. Der Protagonist sollte natürlich vor allem anderen ein Ziel haben, schließlich ist er – neben dem Antagonisten – die wichtigste Figur der Geschichte. Hausmeistersohn Peter wurde ja ausreichend als unfähiger Trottel etabliert, würde ich sagen. Nachdem er dann völlig trottelig aus dem Fenster fiel, liegt er jetzt in einem Bett.
Der Hospitalbereich der Burg befand sich noch in der frühen Planung – was bedeutet, dass sich bisher niemand Gedanken darum gemacht hatte, einen Hospitalbereich einzurichten. Prinzessin Alisa saß neben dem Bett, in dem Peter lag und sich von seinem Sturz erholte. Alisa schaute auf die Fensterläden vor dem Fenster. Selbst hier unten im ersten Stockwerk, wo kaum Sonne hin kam, hatten die Fenster einen Lichtschutz. Alisa seufzte. Peter hustete. Er wachte auf und öffnete die Augen. Seine Überraschung über Alisas Anwesenheit ließ sich nicht verheimlichen. Was sich auch nicht verheimlichen ließ, war die Tatsache, dass Alisa zu keinem Zeitpunkt in ihrem Leben von irgendwas oder irgendjemandem so unbeeindruckt gewesen war, wie in diesem Moment von Hausmeistersohn Peter.
„Du bist nicht sonderlich geschickt, was?“, fragte sie und erwartete keine Antwort. „Weißt du, ich brauche jemanden, der geschickt ist. Einen echten Mann, der weiß, wie man mit einem Hammer umgeht und Dinge repariert. Und der vielleicht auch den ein oder anderen Kampf für mich austragen kann.“
Eine Rüstung klackerte auf dem Flur vorbei. Alisa schaute durch die halb geschlossene Tür und verfolgte den Ritter mit den Augen für den Bruchteil der Sekunde, die er sich im Blickbereich zwischen den Türrahmen befand.
„Sehen sie nicht toll aus in ihren Rüstungen?“ Alisa schwelgte in Gedanken an Nächte mit Rittern, die auch handwerklich begabt waren.
Peter wusste, was er zu tun hatte. Er würde der Prinzessin beweisen, dass er ein richtiger Mann sein konnte.
Etwas plump und zusammengestückelt, aber es erfüllt seinen Zweck. In der Überarbeitung lässt sich das noch ausbauen.
Beim Antagonisten habe ich bisher eigentlich alles falsch gemacht, was man falsch machen kann. Natürlich absichtlich, um das hier wieder aufgreifen zu können *hust* Lord Edgar ist bisher absolut uninteressant, inaktiv und man weiß absolut gar nichts über ihn. Sein Ziel ist zwar irgendwie klar: Er will die Burgbewohner platt machen. Aber das ist natürlich ohne die nötige Motivation oder zumindest einen guten Grund einfach nur belanglos. Ein Antagonist, der einfach nur böse ist, ist eben das langweiligste, was es so gibt. Um nach einem Grund für Lord Edgars Hass auf die Burgbewohner zu suchen, muss man wohl in die Vergangenheit reisen und mal schauen, was dort vorgefallen sein könnte:
Lord Edgar saß in seinem goldenen Thron und starrte gelangweilt die große Tür an, die viele Meter entfernt, am Ende eines langen Teppichs, sehr klein wirkte. Die Tür war nicht immer in diesem Schloss gewesen. Sie war das letzte Erinnerungsstück an seine Zeit auf der Burg. Als fest angestellter Magier des Königs hatte er die Burg oft gegen einfallende Horden und unwillkommene Versicherungsvertreter verteidigt. Die meiste Zeit verbrachte er in seinem Zimmer in den Katakomben unter der Burg. Dort erdachte er neue Zauber zur Abwehr von Feinden und der Verteidigung der Burg. Auf Befehl konnte er sich auf magische Art und Weise in sekundenschnelle in den Thronsaal des Königs begeben. Das passierte mehrmals am Tag. Obwohl er nur für Kampfhandlungen angestellt war, rief der König bei jeder Gelegenheit nach ihm, wenn gerade eine Situation eine Bewegung erforderte. Lord Edgar fand sich damit ab. Schließlich wurde er gut für seine Dienste bezahlt und so konnte er dem König auch mal einen Apfel aus der Obstschale in den Mund schweben lassen oder die Türen zum Thronsaal mit einem Fingerschnippen schließen, wenn diese von den Lakaien des Königs mal wieder offen gelassen worden waren und der König im Windzug fröstelte. Die Undankbarkeit des Königs zeigte sich an einem Abend, als der Himmel in rotem Licht erstrahlte. Der König hielt die Farbe am Firmament für ein böses Omen und bat Lord Edgar, etwas dagegen zu unternehmen. Lord Edgar stieß in diesem Augenblick an seine Grenzen. Mit Hilfe von Magie konnte er fast alles bewerkstelligen. Aber es gab zwei Dinge, auf die er keinen Einfluss hatte: Den Himmel oder besser gesagt, das Wetter und den Tod. Magie konnte tödlich sein, ja, aber jemanden zurück ins Leben zu holen war genau so wenig möglich, wie den Himmel blau zu streichen, wie es der König an diesem Abend gefordert hatte. Lord Edgar versuchte dem König die Idee von schlechten Zeichen und Vorhersehung auszureden. Er selbst glaubte nicht an Wahrsagerei. Er glaubte an die Kraft der Magie und sonst nichts. Der König war äußerst enttäuscht darüber und knallte Lord Edgar die Tür vor der Nase zu. Die Nase hatte sich nie davon erholt und wies noch heute eine Krümmung auf. Lord Edgar fuhr mit dem Finger über seinen Nasenrücken. Wütend stand er auf und schritt auf die große Tür zu. Mit einer Handbewegung ließ er sie aufschwingen. Er wollte nicht tatenlos herumsitzen. Wenn die Burg des Königs im Erdboden versank, würde er anwesend sein und dem König in die Augen schauen. Er würde ihm alles nehmen, so wie dieser ihm alles genommen hatte.
Auch hier eher plump und vom Reißbrett. Aber für den Anfang reicht mir das auch. Die Figuren und ihre Eigenschaften entwickeln sich bei mir immer während dem Schreibprozess, also kann ich auch später wieder zurück gehen, wenn mir etwas besseres einfällt. Zum Beispiel auch zu der Tür, die ich einfach mal spontan in den Text geworfen haben. Was sich damit noch machen lässt, wird man sehen. Ansonsten fliegt sie eben später wieder raus.
Aber nicht nur die Hauptfiguren brauchen ein Ziel, auch die Nebenfiguren sollten eine Aufgabe verfolgen, die sie durch die Story trägt. Da gucken wir dann beim nächsten Mal, was sich da so machen lässt.
Was für Aufgaben haben eure Hauptfiguren? Hat es auch etwas mit Türen zu tun? Und welche Form hat euer Nasenrücken eigentlich?
Ein Gedanke zu “Schreiben wie ein selbsternannter Schriftsteller – Aufgaben für Hauptfiguren”