Was wäre wenn … Geburtstag

Sarah Ricchizzi hat ein kleines Projekt gestartet, in dem es darum geht, auf einer „Was wäre wenn …“-Idee herumzudenken und dazu etwas zu schreiben. Das Thema diese Woche lautet

WAS WÄRE WENN DU JEDEN TAG GEBURTSTAG HÄTTEST

Nun, ich persönlich würde mich vermutlich erschießen, aber darum soll es jetzt nicht gehen. Die Frage hat mich zu einer kleinen Geschichte inspiriert, die nur vage etwas mit der Grundidee zu tun hat, aber was solls. Hauptsache was geschrieben. Und nein, ein besserer Titel ist mir spontan nicht eingefallen:

365

Tag 1

Kerzenlicht flackerte im Tempel der Reinkarnierten. Billy hatte noch nie so viele Kerzen auf einmal gesehen. 365 Kerzen waren es angeblich. Er versuchte, sie zu zählen. Es war unmöglich. Wie das Zählen der Sterne bei klarer Nacht. Immer wieder verlor er den Überblick und musste von vorne beginnen. Kerzen an der Wand. Kerzen auf der langen Tafel, an der er saß. Kerzen auf dem Altar, vor dem sich in diesem Moment ein Mann in buntem Gewand aufstellte. Der Mann hieß Natalem. Oder zumindest nannte er selbst sich so. Billy konnte sich kaum vorstellen, dass es sein richtiger Name war. Hier im Orden der Reinkarnierten hatten alle ungewöhnliche Namen. Das konnte kaum ein Zufall sein. Der dürre alte Mann neben Natalem hieß Partes. Er hielt eine Schriftrolle in seinen knochigen Händen. Natalem hielt seine Hand auf und wartete darauf, dass Partes ihm die Rolle überreichte. Partes zögerte. Natalem wurde ungeduldig. Nach einem kurzen Geplänkel entriss er Partes die Rolle und schaute den alten Mann böse an.

»Brüder und Schwestern«, lies er laut vor oder rief es einfach so, um die Aufmerksamkeit der Anwesenden Männer und Frauen auf sich zu ziehen. »Begrüßt unser neues Mitglied, Billy.« Die Anwesenden jubelten. »Er hat mit diesem Leben seinen 365. Lebenszyklus erreicht und das muss gebührend gefeiert werden.« Die Anwesenden jubelten. »Und zwar 365 Tage im Jahr.« Die Anwesenden jubelten. »Ich habe alle 365 Leben von Billy recherchiert. Und heute feiern wir seinen ersten Geburtstag.«

Billy hatte immer gerne seinen Geburtstag gefeiert. Einmal im Jahr stand er im Mittelpunkt des Interesses. Den Rest des Jahres beachtete man ihn kaum. Er hatte keine Freunde. Keine Familie. Niemanden. Er hatte nur diesen einen Tag, den er jedes Jahr in einem Restaurant verbrachte, wo die Kellner für ihn sangen, ein Geiger spielte und der Koch ihm persönlich einen Kuchen backte und alle für ihn applaudierten. Diesen einen Moment, einmal im Jahr, genoss er mehr, als alle Tage, Stunden, Minuten und Sekunden seines restlichen Lebens. Und dann hatte er vom Orden der Reinkarnierten erfahren, wo man jeden Tag Geburtstag hat. Er konnte sein Glück immer noch nicht fassen, dass er in diesen elitären Kreis aufgenommen wurde.

Ein großes Buffet wurde von Männern in grauen Kutten hereingebracht und auf der langen Tafel bereitgestellt. Jemand setzte Billy eine Krone auf.

»In seinem ersten Leben war Billy ein großer Herrscher. Ein König. Er regierte mit eiserner Hand und es gab immer reichlich zu Essen.« Natalem machte eine Pause. »Und natürlich Kuchen!«, rief er feierlich.

Ein mehrstöckiger Kuchen wurde aufgetischt. Das erste Stück wurde Billy auf einem silbernen Teller serviert.

»Greift zu«, befahl Natalem.

Die Mitglieder des Ordens griffen zu.

Tag 2

Das Essen des Vortages lag Billy noch im Magen. Er hatte eindeutig zu oft zugegriffen. Aber es war sein Geburtstag und er war gespannt, was man heute für ihn bereitstellen würde.

Natalem nahm seine Pose vor dem Altar ein und kämpfte mit Partes um die Schriftrolle. Der alte Mann war keine Kämpfernatur und ließ sich das Pergament leicht entreißen.

»Heute feiern wir Billys zweiten Geburtstag. Den Zweiten von vielen, die noch folgen werden. Die Planungen für alle Geburtstagsfeiern sind in vollem Gange und jeden Tag wird Billy eine große Überraschung erleben.« Natalem beugte sich zu Partes hinüber. »Wir haben doch kein Schaltjahr oder? Nein? Sehr gut. Das bringt immer die Planungen durcheinander.« Er schaute auf das Pergament in seiner Hand. »In seinem zweiten Leben war Billy ein Bäcker. Jeden Tag backte er frisches Brot und Brötchen und Croissants. Was? Partes meint, damals gab es noch keine Croissants, aber ich liebe Croissants, also bleiben sie gefälligst auf dem Tisch.«

Auf besagtem Tisch standen Körbe voller Backwaren, die für jeden Geschmack etwas zu bieten hatten.

»Und natürlich backte er auch Kuchen!«, rief Natalem feierlich.

Ein Kuchen wurde vor Billy abgestellt. Erdbeere. Billy mochte Erdbeeren. Er schnappte sich das erste Stück.

Tag 42

Billy konnte keinen Kuchen mehr sehen. Er hatte das Gefühl, jede Kuchenvariante mit allen Früchten der Erde bereits mehrmals genossen zu haben. Bananenkuchen für sein Leben als Bananenpflücker. Kirschtorte für sein Leben als Hofnarr, die ihm direkt ins Gesicht gedrückt worden war. Vielleicht war die Idee, jeden Tag Geburtstag zu feiern, doch nicht so berauschend, wie er es sich vorgestellt hatte. Er brauchte eine Kuchenpause.

Natamel las: »Es tut mir leid, aber heute wird nicht groß gefeiert. In seinem Leben als Bettler hatte Billy nichts zu feiern. Er saß täglich mit seiner Blechdose in der Fußgängerzone und wurde von den Passanten angespuckt.«

Billy atmete erleichtert aus. Kein Kuchen. Eine willkommene Pause. Die Mitglieder des Ordens standen auf und stellten sich in einer Reihe auf. Natamel schritt zu Billys Stuhl und schaute ihn an. Er machte komische Bewegungen mit seinem Mund und spuckte Billy ins Gesicht. Die Mitglieder des Ordens folgten seinem Beispiel und bespuckten Billy der Reihe nach. Als das letzte Mitglied ihn angespuckt hatte, war Billys Kleidung triefnass. Angeekelt verließ er den Saal, um sich umzuziehen.

Tag 99

Pure Vorfreude auf jeden anstehenden Geburtstag war Zweifel gewichen. Die letzten Wochen waren eine Mischung aus prunkvollen Festen und qualvollen Erniedrigungen gewesen. Für sein Leben als Bauer hatte Billy einen Kartoffelkuchen bekommen. Sein Leben als Lama führte zu einer erneuten Spucksalve der Ordensmitglieder. An sein Leben als Sittenstrolch wollte er lieber nicht zurückdenken. Nervös schaute Billy zum Altar, wo Natamel und Partes ihr übliches Schriftrollenüberreichungsritual vollzogen. Partes hatte wie üblich das Nachsehen.

»In seinem Leben als streunender Straßenköter hatte Billy selten eine schöne Zeit«, begann Natamel.

Billy vergrub das Gesicht in den Händen. Das konnte nicht gut enden.

»Aber es gab auch gute Tage, wenn ihm der Besitzer eines Restaurants die Essensreste der Gäste überließ. Deshalb gibt es heute Resteessen von gestern.«

Erleichterung. Gestern hatte es Suppe für sein Leben als Suppenkasper gegeben. Billy erinnerte sich, dass er infrage gestellt hatte, ob es sowas wie einen Suppenkasper überhaupt jemals gegeben hatte. Ihn beschlich das Gefühl, dass Natamel sich das alles nur ausgedacht hatte. Vielleicht war er bei seinen Recherchen auf eine Lücke gestoßen und hatte sich etwas einfallen lassen müssen. Billy war froh, dass er sich für Suppe entschieden hatte und nicht für eine qualvolle Bestrafung für einen von negativen Eindrücken geprägten Lebenszyklus.

Partes schlich an Billys Stuhl heran. Im Vorbeigehen flüsterte er etwas, das klang wie »Flieh, solange du noch kannst.«

Billy fand Partes in den Pferdeställen außerhalb des Tempels. Der alte Mann kroch auf dem Boden herum und wühlte im Stroh.

»Was wolltest du mir vorhin sagen?«, fragte Billy.

Partes schreckte hoch. »Du kannst mich doch nicht so erschrecken, du Idiot.« Der alte Mann mühte sich auf die Beine. Sein weißes Haar hing ihm im Gesicht. »Ich habe ein altes Herz. Da kann jeder Schreck der letzte sein.«

»Tut mir leid.« Billy schaute sich in dem Stall um. Bisher war er nicht hier gewesen. Die Mitglieder des Ordens ritten selten aus. Es war ein gewöhnlicher Stall mit Pferden darin, die ruhig ihren Hafer fraßen. »Also, was hast du vorhin gesagt?«

»Dass du abhauen sollst.«

»Warum? Willst du mich etwa loswerden?«

»Nein, ich will dir helfen. Schau dir diese Irren doch mal an. Glaubst du etwa wirklich, dass der ganze Quatsch mit der Reinkarnation wahr ist?«

»Warum sollten sie so etwas erfinden?«

»Na, weil sie irre sind.«

»Das glaube ich nicht. Sie feiern einfach gerne Geburtstag. So wie ich.«

»Meine Fresse, bist du naiv, Junge.« Partes schüttelte den Kopf und kniete sich auf den Boden, um weiter im Stroh herumzuwühlen. »Aber sag hinterher nicht, ich hätte dich nicht gewarnt. Das Schlimmste hast du noch vor dir.«

»Warum bist du hier, wenn du sie für irre hältst?«

»Ich war immer hier. Für mich ist es zu spät. Aber du hast dein ganzes Leben noch vor dir. Vorausgesetzt, du haust ab.«

Billy dachte darüber nach. Ja, die letzten Tage waren seltsam gewesen und nicht jeder Geburtstag war eine fröhliche Erfahrung gewesen. Aber im Orden wussten sie, wie man richtig Geburtstag feiert, wenn es dem Lebenszyklus entsprach.

»Ich denke, ich werde bleiben.«

»Es ist deine Beerdigung.«

»Was machst du da eigentlich?«

»Ich suche Pferdeäpfel.«

»Pferdeäpfel? Wofür?«

»Für dich. Morgen feiern wir deinen Geburtstag als Schmeißfliege.«

Tag 173

Billy kotzte neben sein Bett. Die letzten Tage waren nicht gerade von Festmahlen geprägt gewesen. Sein Magen hatte entschieden, sich gegen die Verdauung der widerlichen Nahrung für Aasgeier, Spinne, Ameise und Mistkäfer zu wehren und sie durch die Speiseröhre zurückzuschicken. Der Gedanke, dass Partes mit seiner Meinung über den Orden nicht ganz im Unrecht gewesen war, rauschte für einen Moment durch Billys Kopf. Er wischte den Gedanken und das Erbrochene an seinem Mund weg. In eine Decke gewickelt torkelte er zum Saal, um seinen Geburtstag zu feiern.

Tag 364

Billy setzte sich vorsichtig auf seinen Stuhl. Die Berührung der Lehne ließ ihn direkt wieder aufstehen. Die Striemen auf seinem Rücken schmerzten. Sein Geburtstag als Sklaventreiber war der absolute Tiefpunkt in einer Reihe von Tiefpunkten gewesen. Seit fast 200 Tagen hatte es keinen Kuchen mehr gegeben. Dafür gab es unendliche Qualen. Billy hatte vor einigen Monaten begonnen, die Tage herunterzuzählen, bis er diese Tortur hinter sich gebracht hatte. Nur noch 2 Tage standen ihm bevor.

Natalem nahm seine gewohnte Position vor dem Altar ein. Nach dem bekannten Zweikampf um die Schriftrolle las er: »Heute ist der letzte Tag der Überraschungen für Billy. Morgen erreichen wir seinen aktuellen Lebenszyklus und es wird ein großes Fest geben, bei dem es an nichts mangeln wird.« Die Anwesenden jubelten. »Aber heute betrachten wir das letzte Leben, das Billy beendet hat. In seinem Leben als Kannibale gab es weder Kuchen noch Obst noch Gemüse. Billy ernährte sich ausschließlich von Menschenfleisch.«

Billy hatte ein flaues Gefühl im Magen. Er musste sich zusammenreißen, um nicht jetzt schon auf den Tisch vor sich zu kotzen.

»Leider haben wir niemanden gefunden, der freiwillig ein Körperteil zur Verfügung stellen will. Also Billy, du musst dir selbst aushelfen.« Natalem zückte ein scharfes Messer. Die Klinge leuchtete im Kerzenlicht. »Und deinen eigenen Arm essen.«

Natalem schritt feierlich mit dem Messer in der Hand zum Tisch und überreichte Billy die Klinge.

»Hier ist nicht zufällig jemand Arzt?«, fragte Billy.

»Nicht in diesem Leben«, sagte Natalem.

Billy schluckte. Im nächsten Leben würde er keinem Orden beitreten. Er setzte zum Schnitt an …

Blogparade: Impro-Geschichte

Die singende Lehrerin ist ja die inoffizielle, aber von allen anerkannte, Königin der Blogparaden. Da überrascht es schon beinahe, wenn man von ihr für eine Blogparade nominiert wird, die gar nicht direkt von ihr erdacht wurde. Original stammt die Idee nämlich von Isabelle, die offensichtlich aus Hamburg kommt und für eine unfassbar dramatische Stadt hält. Oder so ähnlich. Was weiß ich. Ich war nie in Hamburg. Aber ich mag auch keinen Fisch, also wäre das wohl eh nicht der richtige Ort für mich, mit all den Fischen und Fischmärkten und Fischmarktschreiern. Andererseits ist es nie verkehrt, etwas über Dramaturgie zu lernen, also sollte ich vielleicht doch mal nach Hamburg fahren. Aber erst im Sommer. Jetzt ist das Wetter da bestimmt scheiße. Also noch beschissener als hier. Apropos hier … wo war ich? Ach ja, Blogparade. Also, es geht um Folgendes:

Eine spontane Geschichte soll geschrieben werden. Ohne groß drüber nachzudenken. Ohne hinterher zu editieren. Und mit 3 vorgegebenen Wörtern.

Da ich im Prinzip sowieso nie anders an irgendeine Geschichte herangehe und mich die singende Lehrerin für einen „begnadeten Schreiber“ hält – vielen Dank dafür – werde ich mich der Herausforderung natürlich stellen.

Die vorgegebenen Wörter sind:

Raumschiff

Mütze

Klingone

Bevor hier jetzt jemand irgendwelche Fan-Fiction erwartet, direkt mal eine Klarstellung: Ich bin kein Trekkie und habe absolut keine Ahnung von dem Universum. Deshalb wird das hier … irgendwas, aber sicher keine Fan-Fiction. Mal davon abgesehen, dass ich Fan-Fiction ohnehin nichts abgewinnen kann. Wir wollen ja nicht vergessen, dass das Grauen namens „50 Shades of Grey“ als Fan-Fiction begann. Wenn uns das eine Sache gelehrt hat, dann: Nix Gutes entsteht aus Fan-Fiction.

 

Laute Schritte hallten von den Wänden in den Gängen der USS Entemitreis wieder. Es handelte sich um ein asiatisches Rationsbeförderungsschiff. Captain Wok stand auf der Brücke und schaute in die weiten des Alls. Unfassbar, wie groß das Universum war. Wie viele Enten mochte es darin geben, die man wunderbar zu einem Drei-Gänge-Menü verarbeiten konnte? Wie viele Reisfelder mochte es auf den unzähligen Planeten geben? Eine Weltraumente schwebte quakend vorbei. Natürlich hörte Wok das Quaken nicht. Im Weltraum hört dich niemand quaken. Was Wok hörte, waren die Schritte, die lauter wurden. Es war ziemlich offensichtlich, dass eine Horde von Weltallpiraten hinter seiner Ladung her war. Die Ladung von asiatischen Rationsbeförderungsschiffen war äußerst beliebt bei den Freibeutern der sieben Weltalle. Reis, Ente und Glückskekse konnte nun mal niemand abschlagen. Wok setzte sich seine rote Mütze auf. Diese Mütze hatte ihm immer Glück gebracht, wenn sein Schiff von Piraten überfallen wurde. Nicht ein einziges Mal war er getötet worden. Er stufte das als Erfolg ein. Seine Besatzung hatte nicht immer so viel Glück gehabt, aber ein paar Verluste musste man immer einplanen, wenn man der Kapitän eines so großen Rationsbeförderungsschiffes war.

Die Tür schwang auf. Früher hatten Piraten gerne die Tür zur Brücke eines Schiffs aufgetreten, um einen besonderen Eindruck zu vermitteln, wenn sie die Brücke stürmten und mindestens drei Unschuldigen die Kehle aufschlitzten. Sie waren äußerst verärgert gewesen, als automatische Schiebetüren auf allen Schiffen installiert worden waren. Kapitän Klingon von den Klingonen war der „verärgerteste Pirat“, wie er immer von sich selbst behauptete. So sah er auch aus, als er die Brücke betrat und mit den Fingern auf drei Unschuldige deutete, die von seinen Klingonenpiraten die Kehle aufgeschlitzt bekamen. Kapitän Klingons Laune schien sich durch das unnötige Blutvergießen etwas zu verbessern.

Das konnte man von Kapitän Woks Laune nicht behaupten. Die asiatische Handelsföderation hatte ihm recht klar zu verstehen gegeben, dass er die Verluste möglichst gering halten sollte, schließlich habe man keinen unendlichen Vorrat an nutzlos rumstehenden Typen in roten Hemden. Wok zog seinen Säbel. Klingon zog sein Sturmgewehr. Woks Besatzungsmitglieder mit intakter Kehle zogen ihre Kampfstöcke, Nunchakus und Essstäbchen. Jede Waffe war erlaubt im Kampf mit den Klingonen. Die zogen ihre Sturmgewehre und eröffneten das Feuer auf ein Handzeichen von Kapitän Klingon hin.

Wok und alle Besatzungsmitglieder sprangen hinter Konsolen in Sicherheit, die glücklicherweise nutzlos genug waren, um das Schiff nicht direkt auf einem fremden Planeten abstürzen zu lassen. Schwarzer Rauch stieg aus den zerschossenen Konsolen auf. Die Feuersalven hörten auf. Wok schaute vorsichtig um die Ecke zu Kapitän Klingon der nicht viel tat außer böse zu gucken und seinen Bart zu streicheln. Wok schaute zu einer Gruppe Besatzungsmitglieder hinüber und gab ihnen ein Zeichen mit der Hand. Die Besatzungsmitglieder schauten ihn verwirrt an. Wok wedelte mit der Hand und machte Zeichen mit den Fingern. Die Besatzungsmitglieder lachten. Wok seufzte. Nie wieder würde er mit einer Besatzung losziehen, die keine Kampfausbildung hatte. Oder er würde ihnen zumindest vorher ein paar Handzeichen beibringen. Er musste die Klingonen wohl im Alleingang besiegen. Wok schlich um die brennenden Konsolen herum, nutzte den aufsteigenden schwarzen Rauch, die flackernden Flammen und böse guckende und nicht auf ihre Umgebung achtende Klingonen als Deckung. Er erreichte den Rücken von Kapitän Klingon.  Wok hob den Säbel. Er ließ ihn wieder sinken. Er war kein Mörder. Er war nur ein ehemaliger Koch, der einmal ins All fliegen wollte. Wie jeder Koch hatte er natürlich eine gute Ausbildung in allen möglichen Kampfkünsten erfahren, damit er Tiere besser zerschnetzeln und zubereiten konnte. Nur wenige Leute wussten, wie Karate bei der Zubereitung von Kugelfisch helfen konnte. Wok entschied sich für Plan B. Er nahm die Mütze ab sprang hoch und stülpte die Mütze über den Kopf von Kapitän Klingon. Der Kapitän stolperte blind herum und brüllte: „Aaaaaahhhhrrrrrggggghhhh … meine Baumwollallergie!“ Alle Waffen wurden auf Kapitän Wok gerichtet. Der stellte sich neben Kapitän Klingon, der jammerte, dass er die ganze Woche Ausschlag auf seiner Stirn haben würde, was sich gar nicht mit seinem Knochenmuster vertrug.

„Ich nehme dir die Mütze ab, wenn ihr versprecht zu gehen.“

„Also gut, aber nimm die Mütze ab!“

Wok nahm Klingon die Mütze ab. „Bitte“, sagte er und setzte sich die Mütze auf.

Klingon kratzte sich im Gesicht und verwuschelte seinen Bart. Er guckte böse. „Das werde ich mir merken. Glaub ja nicht, dass es vorbei ist, Wok. Wir kommen wieder.“ Klingon machte ein Handzeichen und die Klingonen verließen die Brücke durch die Schiebetür. „Verdammte Türen“, grummelte Klingon und verschwand hinter der Schiebetür.

Wok steckte seinen Säbel weg. Er setzte seine Mütze ab. Wieder einen Tag überlebt. Es war ein guter Tag. Er ließ die Leichen durch die Luftschleuse ins All schießen und schaute zu, wie eine Weltallente sie verschluckte. Natürlich hörte Wok das Schlucken nicht. Im Weltall hört dich niemand schlucken.

 

So und jetzt seid ihr dran. Denn laut den Regeln, an die ich mich selbstverstädnlich immer halte in allen Lebenslagen, geben vor, dass ich jetzt auch drei Wörter nennen darf, mit denen dann von mir Nominierte Blogger eine spontane Geschichte hinklatschen müssen.

Man, es ist so schwierig. So viele Möglichkeiten für kompletten Schwachsinn. Mal sehen …

Hier meine drei Wörter:

1. Ein Schloss

2. Ein Teller Spaghetti

3. Ein Rudel Wölfe

Und eine Geschichte schreiben müssen dürfen:

Offen schreiben – Denn Jette schreibt sehr gerne und bloggt täglich. Damit hat sie ganz schnell einen Blogbeitrag fertig.

Michaela schreibt – Denn Michaela schreibt nun mal und darum geht es hier nun mal.

Terrence Horn – Damit auch ein Mann vertreten ist. Außerdem will ich wissen, ob er für so einen Spaß zu haben ist und was er spontan aus dem Quatsch macht, den ich vorgegeben habe.

Wer sonst noch Lust hat, darf die Sache natürlich gerne mitmachen. Bitte verlinkt eure fertigen Beiträge hier in den Kommentaren und bei Isabelle im Ursprungsartikel.

Mehr gibts nicht zu sagen. Ich glaube, ich muss noch ne Deadline hinklatschen. Da die bei allen anderen wohl 2 Wochen betrug, übernehme ich das mal und gebe Zeit bis zum 02.12.2016 um eine Geschichte so spontan wie möglich aus den Begriffen zu machen. Viel Spaß.

Auf der Suche nach dem ersten Blogpost #3

Zu Teil 2

Suche nach Blogpost

Ich sollte die Zeit nutzen um am Blog zu arbeiten, oder etwas brauchbares zu Papier zu bringen. Stattdessen tue ich das, was ich am besten kann und surfe ziellos im Internet, das ich bei einem Nachbarn anzapfe ohne das er davon wüsste – oder es stört ihn einfach nicht. Ich stoße auf einen Artikel über Entführungen hier in der Stadt. Von einer Serie ist die Rede. Erst vor wenigen Tagen gab es ein neues Opfer. Die Verschwundenen sind nie wieder aufgetaucht. Ich hatte am Rande davon gehört, aber ich befasse mich nicht mit so etwas. Es passiert zu viel Scheiße auf der Welt. Wenn man das an sich ran lässt, kann man sich nur noch die Kugel geben. Und ich kann mir keine Kugel leisten.
Fey löst mich mit einem Klopfen an der Tür aus dem Wirrwarr von Informationen die mich im Leben kein Stück weiter bringen werden und wir brechen auf um den Zeugen zu befragen.
Wenn jemand neu in einem Ort ist kann man davon ausgehen, dass er sich wie ein Tourist verhält.
Fey bestaunt die Fußgängerzone als hätte sie noch nie Kopfsteinpflaster voller Taubenscheiße gesehen.
»Wirklich beeindruckend.«
»Was?«
»Was die Menschen in der Lage sind zu erschaffen.«
»Menschen sind in erster Linie in der Lage alles zu zerstören, was von anderen geschaffen wurde. Eigentlich sind sie mit nichts anderem beschäftigt.«
»Wo ich herkomme gibt es sowas imposantes nicht.«
Mich beschleicht das Gefühl, dass sie für eine Reporterin wenig rumgekommen ist.
»Die Welt ist im Wandel!« Auf einer Kiste steht eine schöne Frau, gehüllt in eine Federboa, und wedelt wild mit den Armen. Sie zeigt auf die vorbeilaufenden Passanten und erzählt ihnen was die Zukunft ihrer Meinung nach für diese bereit hält. Es ist eine Aneinanderreihung von Tragödien.
»Ich schätze die Population der Stadt nimmt bald rapide ab«, sage ich und verdrehe die Augen.
»Du wirst große Qualen erleiden«, ruft die Frau und deutet mit dem schwarz lackierten Fingernagel ihres krummen Zeigefingers auf mich.
»Ich glaube nicht an das Schicksal«, sage ich.
»Aber das Schicksal glaubt an dich.«
»Gut. Wenigstens etwas, das an mich glaubt.« Ich zünde mir eine Zigarette an.
»Das ist nicht gut für dich.« Feys Besorgnis scheint echt zu sein.
»Wenn ich der komischen Tussi da glauben darf bin ich sowieso nicht mehr zu retten«, beruhige ich sie.
»Du solltest alles etwas ernster nehmen. Du hast schließlich nur ein Leben.«
»Ja, ich weiß. Und so scheiße wie das ist, will ich auch gar kein Zweites haben.« Ich ziehe an der Zigarette und huste laut vor mich hin, während wir weiter gehen.
»Wo wohnt dieser Zeuge eigentlich?«
»Zeugin.«
»Okay, wo wohnt diese Zeugin eigentlich? Ist es noch weit? Ich habe Durst. Vielleicht sollten wir nen kurzen Abstecher in eine Kneipe machen.«
»Es ist nicht mehr weit. Sie wohnt im Wald vor der Stadt.«
»Im Wald? Was für eine Bekloppte wohnt denn im Wald? Ich dachte immer da wohnen nur Rehe und verwirrte Drogenopfer.«
»Sie mag vielleicht das Stadtleben nicht.«
»Mag ich auch nicht, aber deshalb zieh ich doch nicht direkt ins dichteste Gestrüpp, das die Umgebung zu bieten hat.«
»Wo würdest du denn gerne wohnen, wenn es dir hier nicht gefällt?«
»In einem Dorf auf dem Land. Da wo ich aufgewachsen bin. Das Stadtleben ist mir zu hektisch und die Leute hier sind alle Arschlöcher. Noch nicht mal grüßen tun die hier.« Ich gehe auf einen Passanten zu, der uns entgegen kommt. »Guten Tag«, begrüße ich ihn. Der Passant sieht mich komisch an, als wäre ich ein entlaufener Massenmörder und geht weiter. »Dann verpiss dich halt du Arsch!«, rufe ich ihm hinterher. Er dreht sich nicht mal um. »Unfreundliche Sackgesichter hier.«
»Du bist auch nicht der netteste Mensch im Moment«, stellt Fey ihre Eindrücke von mir fest.
»Ich weiß. Die Stadt hat mich auch versaut. Vielleicht geht es mir gleich besser, wenn wir in dem Kackwald sind.«
Der Wald ist ein Dickicht von dem man nicht mal annehmen sollte, dass so etwas so nahe an einer Stadt überhaupt noch existiert. Im Normalfall hätten wir inmitten einer Ansammlung von Reihenhäusern gestanden, aber offenbar hat man die Besiedlungsmöglichkeiten dieses Stücks unberührter Natur noch nicht erkannt. Oder der Bulldozer, der die Bäume wegreißen soll, ist kaputt.
Ich halte die Verfluchungen des matschigen Bodens zurück, während ich mich darauf konzentriere nicht auf die Fresse zu fallen. Fey scheint der rutschige, unebene Untergrund nichts auszumachen. Sie springt wie ein junges Reh über die Wurzeln und Äste hinweg, als hätte sie nie etwas anderes gemacht.
»Bist du nebenbei noch Försterin, oder sowas?«
»Warum?«
»Du scheinst in der offenen Natur gut zurecht zukommen.«
»Bevor ich in die Stadt kam, habe ich sehr viel Zeit in der Natur verbracht.«
»Bist du ein Hippie?«
Sie sieht mich fragend an.
»Vergiss es.« Ich stolpere weiter. »Da vorne ist eine Hütte. Wohnt da die Zeugin?«
Ich zeige auf eine heruntergekommene Bruchbude, die aussieht als wurde sie von einem Einarmigen zusammengezimmert, der seinen Hammer verlegt und als Ersatz einen Baseballschläger genutzt hat. Die Bretter der Hütte sind kreuz und quer aneinander genagelt. Die dreieckigen Fenster eingeschlagen. Rauch steigt aus einem rostigen Rohr auf dem löchrigen Dach auf.
»Fey«, sage ich, »ich glaube nicht, dass diese Zeugin in irgendeiner Art und Weise hilfreich oder auch nur ansatzweise zurechnungsfähig ist. Hältst du es wirklich für eine gute Idee, da rein zu gehen?«
»Was kann schon passieren?«
»Nun ja, ein Windstoß könnte die wackelige Bruchbude umblasen während wir drin sind.«
»Wir bleiben ja nicht lange. Komm schon.«
Wir bleiben nicht lange heißt in meiner Welt: Wir kommen erst nach qualvoll langen und langweiligen Stunden wieder aus der Hütte raus. Ich seufze und stelle mich auf einen langen Tag ein, als ich Fey sanft durch die Tür in die Hütte schiebe. Sie dreht den Kopf und lächelt. Scheinbar habe ich mal etwas richtig gemacht. Muss ich es wohl später mit ihr versauen, wie ich es immer tue.
Das Innere der Hütte passt zum Äußeren. Mit dem Unterschied, dass hier zusätzlich zu den willkürlich vernagelten Brettern ein Haufen Möbel genau so willkürlich in den Räumen verteilt steht. Normale Leute richten ihre Möbel nach etwas aus. Dem Fernseher. Dem Fenster. Von mir aus einem Bild an der Wand. Hier passt nichts zusammen. Jeder wackelige Stuhl, jeder verstaubte Sessel, jedes zerrissene Sofa bietet eine hervorragende Gelegenheit, die gammelige Wand anzustarren.
Jemand betritt den Raum und sieht uns wenig überrascht an.
»Da seid ihr ja endlich«, sagt die Gefiederte aus der Fußgängerzone, die den Untergang der Menschheit prophezeit hat.

FORTSETZUNG FOLGT IN TEIL 4

Auf der Suche nach dem ersten Blogpost #2

Zu Teil 1

Suche nach Blogpost

Selbst wenn man niemals Besuch kriegt, kann man sich auf eine Sache ganz sicher verlassen: Wenn eine Leiche im Wohnzimmer liegt, kommt jemand vorbei.
Hinter der Tür steht Fey. Eine junge Frau, die vor wenigen Tagen in die Wohnung gegenüber eingezogen ist. Unsere Bekanntschaft beschränkt sich auf ein Aufeinanderprallen im Treppenhaus, bei der ich ihr auf den Fuß getreten bin. Sicher, dass sie mich für immer hassen wird, verschwand ich in meiner Wohnung und sah ihr durch den Türspion zu, bei dem mehrminütigen Versuch, ihre Wohnungstür aufzuschließen. Nach etwas Gefluche, das wohl nicht nur der Tür galt, sondern auch dem schmerzenden Fuß und dem Vollidioten, der gegenüber wohnt, gelang es ihr, in ihre Wohnung zu humpeln.
Um so überraschter bin ich, sie jetzt vor mir zu sehen. Ich stelle mich auf eine wütende Rede, oder eine Ohrfeige ein. Zu meiner Überraschung bleiben die vermuteten Aggressionen aus. Sie lächelt mich an. Ein Strahlen geht von ihr aus. Ich schiele an ihr vorbei zu dem Fenster im Flur, um zu kontrollieren, ob sie von der Sonne angestrahlt wird und deshalb zu glänzen scheint. Draußen hängen schwarze Wolken am Himmel und lassen kaum Licht durch. Ich schaue sie fragend an.
»Du fragst dich sicher, warum ich hier bin«, sagt sie.
»Auch«, antworte ich wahrheitsgemäß und suche weiter nach der Quelle des Schimmerns.
»Ich kenne niemanden hier«, sagt sie.
Ich verzichte auf weitere Untersuchungen der Erhellung und konzentriere mich darauf, ihr zuzuhören, da mir schon bei ihrem zweiten Satz droht, dass ich den Faden verliere.
»Hm«, sage ich, da mir gerade nichts besseres einfällt. Ich fühle mich direkt wie ein Trottel. So ist es immer, wenn ich mich mit hübschen Mädchen unterhalte. Mein Gehirn schaltet sich plötzlich ab und ich stammel vor mich hin, auf der Suche nach einem intelligenten Satz. Mir fiel bis heute nie einer ein, egal wie lange das Gespräch gedauert hat.
Sie starrt mich an und denkt bestimmt daran, schnell wieder zu gehen und mit jemandem zu reden, der kein Idiot ist. In völliger Verzweiflung bitte ich sie herein. In die Wohnung mit der Leiche auf dem Teppich, die ich für einen Moment komplett vergessen habe. Mein Gehirn hat beim Abschalten ganze Arbeit geleistet. Sie lehnt das Angebot glücklicherweise ab und erzählt mir, dass sie Reporterin ist und später einen Zeugen in einer interessanten Story, an der sie gerade arbeitet, aufsuchen will. Sie sucht jemanden, der sie zum Schutz begleitet. Und da sie niemanden sonst hier kennt, fragt sie mich.
Mich auf meine Ehre als Beschützer aller Frauen berufend, sage ich zu. Um genau zu sein, sage ich nur zu, weil sie ein hübsches, nettes Mädchen ist, aber etwas Ehre ist vielleicht trotzdem unterbewusst im Spiel.
Sie geht zurück in ihre Wohnung. Das Strahlen verschwindet mit ihr. Ich sehe mich noch mal im Flur um, dann schüttele ich den Kopf und denke nicht weiter darüber nach. Manche Dinge überfordern meinen Verstand einfach, also warum Zeit damit verschwenden.
Ich gehe zurück in meine Bruchbude. Wie das Strahlen im Flur, ist auch die Leiche im Wohnzimmer verschwunden. Nur ein roter Fleck auf dem Teppich ist zurückgeblieben. Ich suche die Wohnung ab. Nick ist nicht auffindbar. Und auch kein Teppichreiniger.

FORTSETZUNG FOLGT IN TEIL 3

Auf der Suche nach dem ersten Blogpost #1

Suche nach Blogpost

 

Hätten Walter, der Typ den man immer in diesen Kinderbüchern suchen musste und die böse Hexe aus dem Westen ein Kind gezeugt, wäre wohl so etwas wie Nick dabei herausgekommen. Seine fettigen Locken hängen unter der roten Mütze hervor, die er auf dem bleichen Kopf trägt. Immerhin verdecken die Haare teilweise seine grünen Zähne, die schief in seinem Mund stehen wie ein verfaulter Lattenzaun. Seine Anwesenheit auf der Party scheint er größtenteils zu nutzen, um die jungen, weiblichen Gäste anzugaffen. Wer mich kennt weiß, dass mich ein äußeres Erscheinungsbild nicht davon abhält mich mit jemandem zu unterhalten, egal wie vergammelt die Person aussehen mag. Immerhin scheint er der interessanteste Gast auf der lahmen Party zu sein, von der ich mich seit meiner Ankunft frage, warum ich überhaupt hingegangen bin. Ich sollte zu Hause sitzen und mich um meinen Blog kümmern. Seit Tagen denke ich darüber nach, was man eigentlich in seinem ersten Blogpost schreibt. Ein Dilemma, über das ich mir zuvor keine Gedanken gemacht habe. Aber kaum ist der Blog fertig, steht man vor dem nächsten Problem. Da soll mal einer sagen, als selbsternannter Schriftsteller hätte man es leicht. Sich mit der einzigen Person zu unterhalten, die genau so deplatziert wirkt wie ich, scheint mir eine gute Idee zu sein. Nach einigem Zögern fängt er an etwas von sich zu erzählen. Die Erklärung für seine Hautfarbe bleibt er mir schuldig, aber ich schiebe es einfach auf den widerlichen Champagner, der literweise ausgeschenkt wird. Seit einiger Zeit lebt er in der Stadt. Unter einer Brücke. Ich weiß nicht, ob er vom dreckigen Fluss angespült wurde. Jedenfalls sieht er so aus. Berauscht von dem ekelhaften Champagner lade ich ihn zu mir nach Hause ein, wo ich noch schmackhaftes Bier gelagert habe, das in keinem guten Haushalt fehlen darf. Wie jede Idee, die man in betrunkenem Zustand hat, stellt sich auch diese als ein großer Fehler heraus.

Ich erwache wie gewöhnlich auf dem Sofa. Oder daneben. Nach einer durchzechten Nacht kann man da nie so ganz sicher sein, da das Gehirn erst mal etwas Anlauf braucht, um zu registrieren, wo man sich befindet. Die Umgebung gleicht meiner Wohnung. Aber der Ort an dem ich mich befinde ist zu sauber, um meine Wohnung zu sein. Nur die Möbel stehen noch da, wo sie hingehören. Nick betritt den Raum und blickt mich mit seinen trüben Augen über einen Wäscheberg hinweg an, den er auf den Armen balanciert.
»Wie kann man nur in so einer unordentlichen Umgebung leben?«
»Wenn ich mich recht erinnere wohnst du unter einer Brücke. Wie ordentlich kann es da schon sein?«
»Wo soll die Wäsche hin?«
»Keine Ahnung. Häng sie aus dem Fenster. Da ist sie an der frischen Luft.«
»Hast du keine Waschmaschine?«
Ich seufze und stehe auf, um ins Badezimmer zu gehen. Nick guckt mir beim Pissen zu. Ich hasse das. Ich bin nicht gut genug bestückt, um damit rumzuprahlen und jeden darauf hinzuweisen, was ich in der Hose habe. Nick verliert eine Hose vom Wäschestapel. Ich lasse die Badewanne voll Wasser laufen und schütte etwas Shampoo hinterher. Ich nehme ihm den Wäschestapel ab und werfe die dreckigen Sachen in die Wanne. Auch die Hose.
»So wäschst du deine Wäsche?«, fragt Nick empört. Er beginnt, mir auf die Nerven zu gehen.
»Nein«, sage ich, »wo wäschst du deine Wäsche? Im versifften Fluss unter der Brücke?«
Er sieht mich verärgert an. »Nein, das würde ich nie machen.« Er verschwindet in einem anderen Zimmer. Geräusche von klirrendem Geschirr und zerknülltem Papier auf dem Boden sagen mir, dass er die Küche gefunden hat.
»Wieso liegen überall zerknüllte und zerrissene Zettel in der Küche?«
»Sag mal«, ich setze mich und zünde mir eine Zigarette an, die ich zufällig gefunden habe, »hast du auch Hobbys, die nicht beinhalten, dass du mich alle dreißig Sekunden nervst?«
»Ich will doch nur helfen.«
»Ich erkläre dir mal kurz was«, sage ich, ziehe an der Zigarette und huste einige Sekunden lang vor mich hin, »ich wohne hier in einem perfekt organisierten, chaotischem System. Auf Außenstehende mag es nicht so wirken, aber ich weiß immer ganz genau, wo alles ist. Und du bringst dieses System gerade durcheinander.« Er sieht mich ungläubig an. »Außerdem hältst du mich von der Arbeit ab.«
»Was arbeitest du denn?«
»Ich bin Autor. Schriftsteller. Geschichtenschreiber. Wie auch immer du es nennen willst.«
»Wirklich?«
»Naja, zumindest bezeichne ich mich so.«
»Und davon kannst du leben?«
»Bisher nicht.«
»Warum machst du dann nicht was richtiges?«
»Weil es für mich scheinbar nichts gibt. Mein ganzes Leben lang, hat mir nie jemand eine Chance gegeben. Ich stand schon immer als Verlierer mit leeren Händen da, bevor ich überhaupt die Möglichkeit auf einen Sieg hatte. Und da mir offensichtlich niemand helfen will, nehme ich es jetzt selbst in die Hand. Und wenn es nichts wird, bin ich wahrscheinlich bald dein Nachbar unter der Brücke.«
Er sieht mich verwirrt an. »Das glaube ich nicht.« Er schaut die aufgestapelten Schreibratgeber vor mir an. »Lass mich wenigstens noch diese Bücher ins Regal stellen.« Er nimmt einen Stapel Bücher vom Tisch und blickt sich nach einem Regal um. Es gibt kein Regal. Er legt die Bücher wieder weg. »Ich baue dir schnell ein Regal. Hast du Bretter da? Und ein paar Schrauben? Und eine Bohrmaschine wäre hilfreich. Oh und eine Wasserwaage. Und vielleicht hast du sogar …«
Ich erschlage ihn mit dem dicksten Schreibratgeber, den der Bücherstapel zu bieten hat.
Ich lege den Schreibratgeber weg und drücke die Zigarette aus. Während ich noch überlege, wie man am besten eine Leiche verschwinden lässt, klopft es an der Tür.

FORTSETZUNG FOLGT IN TEIL 2